Aufenthalt Nabi Ghana Nov./Dez. 2015
Es war diesmal unser vierter Freiwilligendienst im Waisenhaus seit 2013. Viel hat sich seitdem verändert. Licht, Wasser, bessere Schulmöbel, Toiletten- und Küchenneubau, Gebäudesanierungen, zusätzliche Betten und Matratzen und viele weitere kleine Projekte haben den Kindern eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen gebracht. Mit dem in relativ kurzer Zeit Erreichten können wir zufrieden sein. Möglich war die Umsetzung aller Projekte nur durch die grosse Untersützung, die wir von Unternehmen, Vereinen und Privatpersonen erhalten haben. NABI Germany ist sehr dankbar dafür.
In den Wochen vor der Abreise gingen sehr viele Sachspenden bei uns ein, im Wesentlichen Kleidung und Schuhe für die Kinder. Als wir dann mit unserem 130 kg Gepäck in Begoro ankamen, haben sie schon auf uns gewartet und uns herzlich empfangen.. Freude und Dankbarkeit waren groß.
Zentrales Projekt war diesmal der Neubau der Küche. Die alte Küche war baufällig geworden und die Sicherheit der Kinder war nicht mehr gewährleistet. Dank der finanziellen Unterstützung von NABI Switzerland konnten die Bauarbeiten schon Mitte 2015 beginnen. Wir hatten gehofft, dass Mauern und Dach bis zu unserem Eintreffen fertiggestellt waren und wir uns um die Organisation und Einrichtung des Koch- und Arbeitsbereiches, des Essbereiches der Kinder und letztlich um Regale für die gesamten Küchenutensilien inkl. Essgeschirr der Kinder kümmern konnten.
Aufgrund unserer Ghana-Erfahrungen hätten wir es besser wissen müssen. Lediglich drei Reihen Blocks waren rundherum hochgezogen.
Somit stand das Programm für die fünf Wochen Aufenthalt fest: Handwerker organisieren, motivieren, hinterherrennen, bitten und betteln und und und ………….
Am Ende war dann doch wenigstens der neue Essbereich für die Kinder fertig. Sie haben jetzt einen sicheren Platz im Trockenen, der auch für andere Aktivitäten genutzt werden kann.
Wie schon beim Brunnenfest wurde wieder eine große Party mit gutem Essen – fried rice und chicken – und Musik organisiert und die Kindern hatten mit den mitgebrachten Luftballons und Süßigkeiten grossen Spaß.
Die restlichen Arbeiten zur Fertigstellung des gesamten Projektes wurden noch besprochen und zwischenzeitlich umgesetzt.
Das bisher zweitgrößte Projekt nach dem Brunnenbau ist somit ebenfalls erfolgreich abgeschlossen.
Schulisches Highlight 2015 war die erste Junior-High-School-Abschlussprüfung (BECE – Basic Education Certificate Examination) bei NABI Ghana.
Von fünf Schülerinnen und Schülern haben vier bestanden. Isaac Amoah Larbi (17) hatte das beste Prüfungsergebnis und erhielt somit das von Rotary-Markdorf zugesagte Stipendium für die Senior High School. Für Isaac werden in diesem dreijährigen Schulabschnitt alle anfallenden Kosten übernommen.
Gemeinsam mit Alex und Madam Sarah haben wir Isaac am 05. November zu seiner neuen Schule – KWAHU RIDGE SENIOR HIGH SCHOOL – nach Obo, ca. 3 Stunden Autofahrt nördlich von Begoro, gebracht. Isaac wird dort als Boarder in den Fächern Science und Allg. Engineering unterrichtet. Abschluss ist dann das West African Senior School Certificate Examination – WASSCE. Die Regeln sind sehr streng. Es gilt striktes Mobiltelefonverbot und Isaac darf nur alle vier Wochen heim ins Waisenhaus fahren. Besuch ist nur mit Sondererlaubnis möglich.
Isaac lebt seit Juli 2008 im Waisenhaus in Begoro. Das Stipendium ist für ihn eine einmalige Chance und er weiß das auch.
Dank der Unterstützung von NABI Schweden konnten noch zwei weitere Schulabgänger als Tagesschüler in der Presbyterian Senior High School in Begoro untergebracht werden. Comfort (17) und Ernest (17) bekommen zwar nicht das volle Stipendium wie Isaac, jedoch grosse Unterstützung bei Schulmaterial, Fahrtkosten und Essen plus etwas Taschengeld. Beide wohnen weiterhin im Waisenhaus.
Am 17. November 2015 hatten wir hohen Besuch von der Gebietskönigin (ghanaisch Ahenfo). Sie ist in Accra zuständig für die Eastern Region und hat sich über die Situation bei NABI in Begoro informiert. Rundgang Waisenhaus und Schule sowie ein anschließender Gedankenaustausch dauerten ca. 2,5 Stunden.
Trotz parlamentarischer Demokratie besitzt Ghana immer noch eine monarchische Struktur. Tradition und Politik existieren nebeneinander und für Ghanaer ist Loyalität gegenüber Königin / König und Staat selbstverständlich. Es gibt keinen Aspekt des gesellschaftlichen Lebens, der ohne die Mitwirkung der traditionellen Herrscher denkbar wäre. Beispielsweise bei Festen und Feiertragen werden König*in oder deren Representanten immer beteiligt.
Für den Schulbetrieb haben wir einen Headmaster, Mr. Sakye (65), eingestellt. Er war lange Zeit in dieser Funktion an der Seven Day Adventist School tätig und ist in allen Schulverwaltungsfragen sowie Führung der Lehrer sehr erfahren. In diesen Bereichen soll er auch Alex Dankwa entlasten. Zudem hat er eine ausgezeichnete Reputation in Begoro. Seine Erfahrung wird NABI Ghana weiterbringen.
Der kleine Shadrack, mittlerweile seit drei Jahren im Waisenhaus, entwickelt sich prächtig. Er geht mittlerweile in die erste Klasse und sein Lehrer lobt seinen Eifer und seine schnelle Auffassungsgabe.
Zur Erinnerung: Er wurde kurz nach unserer ersten Ankunft in Begoro im Januar 2013 von seinem Vater, der auch für Shadrack bezahlen wollte, ins Waisenhaus gebracht. Seitdem haben sich weder der Vater noch andere Familienmitglieder um ihn gekümmert. Faktisch ist er ein Waisenkind.
Als er kam, sprach er kein Wort Englisch und hatte noch nie weisse Menschen gesehen. Er war total verstört und traurig. Doris hat sich ihm besonders angenommen und ihm geholfen, sich einzuleben. Wir können ihm seine Familie nicht ersetzen, wir werden ihn aber auf seinem Weg begleiten und unterstützen.
Die mittlerweile schon obligatorische Wurmkur haben wieder alle Kinder bekommen. Zusätzlich haben wir die Medikamente für eine weitere Behandlung bereits gekauft. Marylin, Health Coordinator, wird sie im April 2016 verabreichen.
Für den Aufenthalt und die Arbeit im Projekt haben wir einen Mustervertrag mit klaren Richtlinien und Aufgabenbeschreibungen zwischen NABI Ghana und den Freiwilligen ausgearbeitet. Das Working Agreement muss von allen Freiwilligen nach Ankunft gelesen und unterschrieben werden. Zusätzlich wird ein Handbuch geführt, in dem Projekte, Vorschläge, Erfahrungen etc. für nachfolgende Freiwillige eingetragen werden.
Verena Gessler, die erste über unsere Organisation nach Begoro in das Projekt entsandte Freiwillige hat ihren geplanten Aufenthalt von ursprünglich sechs auf neun Monate verlängert. Sie wird Anfang Mai 2016 nach Deutschland zurückkommen. Trotz der schwierigen Anforderungen und aller Widrigkeiten fühlt sich Verena sehr wohl. Zitat: „Ich bin sehr froh, in diesem Projekt zu sein. Die Arbeit im Waisenhaus und in der Schule, das Leben mit den Kindern und die Erfahrung mit anderen Freiwilligen aus verschiedenen Nationen ist genau das, was ich mir vorgestellt habe. Dazu kommt noch das Kennenlernen einer völlig fremden Kultur.“
Ein besonderes Erlebnis hatten die Kinder am Sankt Martinstag, 11. November. Die Freiwilligen hatten mit viel Engagement alles vorbereitet. Im Vorfeld wurden mit den Kindern Laternen gebastelt und Lieder eingeübt. Sie selbst hatten auch ein kleines Theaterstueck einstudiert. Die bekannte Geschichte der Mantelteilung hatten sie auf eine typische Situation im täglichen Leben in Ghana, in der einem armen Kranken das Geld für Medikamente fehlt, umgeschrieben. Aus Mitleid wurde dann geholfen..
Nach dem Laternenumzug saßen alle am Lagerfeuer und es gab Stockbrot. Bis spät am Abend wurde noch gesungen.
Sehr positiv entwickelt sich die NABI-Organisation in Schweden. Sarah Hansson, Göteborg, war vor einigen Jahren ebenfalls als Freiwillige in Begoro und versucht seit Mitte letzten Jahr sehr engagiert, Spendenstrukturen aufzubauen. Der Wegfall von NABI Switzerland Ende 2015 wird so zumindest teilweise kompensiert.
Im Rahmen der aktuellen Flüchtlingsdiskussion in Europa wurde zuletzt wieder verstärkt der Ansatz „Hilfe und Projekte in den Ausgangsländern“ als einzige nachhaltige Lösung thematisiert. Von vielen Experten wird bereits eine Flüchtlingswelle aus den armen afrikanischen Ländern erwartet. Mit unserem Projekt liegen wir demnach genau richtig. Die Kinder in Begoro haben ein Zuhause, bekommen drei Mahlzeiten täglich sowie medizinische Betreuung. Noch wichtiger ist aber der regelmäßige und kontinuierliche Schulunterricht. Damit haben sie die Chance auf ein besseres Leben in ihrem Heimatland.
Bild: Lagerfeuer und anschl. Stockbrotessen mit den Freiwilligen an St. Martin