Vom 02. – 28. November 2019 waren wir wieder in Begoro bei den Kindern. Es war der 8. Aufenthalt seit 2013. Insgesamt haben wir jetzt mehr als ein Jahr im Waisenhaus und der Schule verbracht.
Aktuell leben 36 Mädchen und Jungen im Waisenhaus. Die Jüngste, Mamia, ist zwei Jahre alt. Die Ältesten, drei Jungs, sind 16 bzw. 17 Jahre alt. Im Mai/Juni 2020 werden sie die landesweite BECE Prüfung zusammen mit 8 weiteren externen Schülerinnen und Schülern an unserer Schule machen (BECE: Basic Education Certificate Examination – in Ghana mittlere Reife). Die Vorbereitungen laufen schon auf Hochtouren.
Inklusive der ca. 90 Tagesschüler werden somit täglich etwa 130 Kinder und Jugendliche im Projekt betreut. Die bis Dreijährigen in der Krippe, die Vier- bis Fünfjährigen im Kindergarten, Klasse 1 – 6 in der Grundschule und Klasse 7 – 9 in der Junior High School (JHS). Im Schulbetrieb werden 12 Lehrkräfte und im Waisenhaus 4 Angestellte (Aufsicht, Küche, Reinigung) beschäftigt. Insgesamt werden täglich 140 bis 150 Mittagessen ausgegeben.
Der Gesamteindruck bei NABI Ghana ist erfreulich positiv. Alex Dankwa, Gründer und Leiter des Projektes, der im Übrigen ehrenamtlich arbeitet, schafft es mehr und mehr, Hygiene, Ordnung und Disziplin im Projekt umzusetzen.
Das Grundstück wird saubergehalten, die Schulklassen inkl. Möbel sind in gutem Zustand. Schlafräume, Küche, Essraum, Waschräume und Toiletten liegen für ghanaische Verhältnisse über dem Durchschnitt. Die Verfügbarkeit von sauberem Wasser seit Februar 2014 ist extrem wichtig und spiegelt sich auch in der Gesundheitsstatistik der Kinder wider. Es gab im laufenden Jahr keine schweren Krankheitsfälle wie Malaria, Cholera oder Typhus.
Dank der großen Unterstützung all unserer Spender haben die Kinder bei NABI gute Lebensbedingungen.
Im Land sieht dies anders aus und die Herausforderungen sind groß.
Trotz der positiven Entwicklung des Wirtschaftswachstums hat die Ungleichheitsrate mit den Unterschieden zwischen und innerhalb der Regionen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten zugenommen.
Fast jeder Zehnte lebt noch in extremer Armut. Die extrem Armen sind besonders anfällig für Krankheit, Arbeitslosigkeit und Behinderung. Dies wiederum erhöht das Risiko, weiter in Armut und Armut zu verfallen. Ein Teufelskreis.
Die ärmsten Bevölkerungsgruppen sind hauptsächlich Kleinbauern. In der Region um Begoro wird dies besonders deutlich. Während sie hauptsächlich Mais und Knollenfrüchte (Yam) für den Eigenbedarf anbauen, fehlen nährstoffreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch und Gemüse. Dazu kommt häufig kein oder nur eingeschränkter Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung.
Wenn es um Armut und Ungleichheit geht, sind Kinder immer die am meisten Leidtragenden.
Laut UNICEF-Forschung leben 3,65 Millionen Kinder in Ghana in Armut und 1,2 Millionen in extremer Armut mit unzureichenden Ressourcen, um ihren Grundnahrungsmittelbedarf zu decken. Darüberhinaus ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind in Armut lebt, um 40% höher als die eines Erwachsenen. Die Sterblichkeitsrate unter 5 Jahren ist weiterhin hoch. Jedes 17. in Ghana geborene Kind hat es nicht bis zu seinem fünften Geburtstag geschafft. Unterernährung ist eine der Hauptursachen.
Die Auswirkungen des Mangels an Nahrungsmitteln bestehen auch im Jugend- und Erwachsenenalter fort, wobei fast die Hälfte der jugendlichen Mädchen anämisch ist. Wachstum und Entwicklung, z.B. das Lernen in der Schule, sind beeinträchtigt.
UNICEF arbeitet mit der Regierung von Ghana eng bei der Sozial- und Bildungspolitik zusammen, um bessere Lebensbedingungen und Schutz für die Kinder zu schaffen. Aktivitäten und Maßnahmen daraus haben das Jahr 2019 auch für NABI Ghana geprägt.
So hat das Bildungsministerium neue Lehrpläne herausgegeben, die von allen Schulen im Lande umzusetzen sind. Das heißt nicht nur, dass für alle Schulklassen und -fächer neue Lehr- und Arbeitsbücher angeschafft werden müssen, ebenso werden Schulungen für Lehrkräfte durchgeführt. Die Teilnahme an den Seminaren ist Pflicht. Die Kosten müssen von den Schulen aufgebracht werden. Soweit jetzt schon erkennbar, soll auch die Lehrform vom reinen Frontalunterricht zu offeneren Formen umgestellt werden. War schon längst überfällig.
Das Sozialministerium / Social Wellfare, führt Audits hinsichtlich der Anforderungen und Richtlinien für Waisenhäuser durch. Unangemeldete Delegationen kommen in die Projekte und bewerten alle Einrichtungen: Kindergebäude, Schlafräume, Küche, Essplätze, Waschplätze, Toiletten etc..
Im Juli d. J. wurden zwei Waisenhäuser aufgrund erheblicher Mängel geschlossen. In den Berichten wurde geschrieben, dass die Kinder in Verhältnissen gelebt haben, die man nicht einmal Tieren zumuten möchte, arbeiten mußten und geschlagen wurden.
Auch NABI wurde im August geprüft. Die Bewertung war äußerst positiv und die geforderten Standards werden erfüllt. Insbesondere die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser, der Küchen- und Essraumneubau und die Toiletten wurden herausgestellt. Kritik gab es trotzdem (Nachweis der Existenzberechtigung der Teams ?). So müssen u.a. Feuerlöscher in den Gebäuden installiert werden.
Grundsätzlich sind die politischen Vorgaben und Steuerungsmaßnahmen richtig, obwohl die Umsetzung aufwändig ist und die NGO’s Geld kostet. Einige werden daran scheitern. Für die Kinder und damit der Zukunft des Landes geht es aber in die richtige Richtung.
Maßnahmen und Themen während unseres Aufenthaltes:
130 kg Sachspenden, die wir ohne Gepäckaufschlag mitnehmen konnten, wurden verteilt. (u.a. 39 Paar Schuhe, Kleidung, Handtücher, Medikamente, Pflaster)
Nachdem gerade die landesweite Sportwoche stattfand, waren insbesondere die Sportschuhe und Trikots bei den Kindern heiß begehrt.
Überprüfung und Instandsetzung der gesamten Elektrik im Schul- und Kindergebäude.
Schaltkästen, Leitungen, Schalter, Steckdosen und Leuchtmittelfassungen mußten aus Sicherheitsgründen erneuert werden. Zusätzlich wurden zur besseren Außleuchtung des Bereiches um die Gebäude zwei starke „Street Lights“ auf Masten installiert. Die Begoro Electric Company hat dabei zugestanden, dass die Zuschaltung getrennt vom NABI Stromzähler erfolgt und somit kostenlos ist. Es ist das erste Mal, daß wir Unterstützung vom Land für die Sicherheit der Kinder bekommen.
Ebenfalls aus Sicherheitsgründen mußten die Dachträger im Essraum der Kinder ersetzt werden. Die Holzbalken hatten sich aufgrund der klimatischen Bedingungen mit hoher Luftfeuchtigkeit bereits sichtbar durchgebogen.
Endlich konnten wir auch die beiden außen liegenden Klassenzimmer (Klassen 1 und 5/6) mit Holzwänden schließen.
Wind, Regen und starke Sonneneinstrahlung hatten in all den Jahren zu erheblichen Unterrichtsausfällen geführt. Lehrer und Kinder dieser Klassen haben jetzt deutlich bessere Lernbedingungen.
An einer kritischen Stelle außerhalb des Compounds hatte der Regen die beiden Brunnenversorgungsleitungen (Strom u. Wasser) freigewaschen. Ein neues Führungsrohr abgesichert in einem kleinen Kanal bietet jetzt mehr Schutz.
Rund um das kleine Waschhaus der Kinder war eine Sumpflandschaft entstanden. Eine Wasserrinne wurde angelegt und eine Sickergrube zur Trockenlegung ausgehoben.
Wie bei jedem Aufenthalt wurden Betten, Tische und Bänke repariert. Mit Ausnahme von zwei Bänken für den Essraum und einem Untergestell für die Lebensmittel im Vorratsraum wurden diesmal keine neuen Möbel geschreinert. Mais-, Reissäcke etc. standen bisher auf dem nackten Boden. An einigen Fenstern waren die Moskitonetze gerissen und wurden erneuert. Ebenso waren wieder einige Matratzen und Decken fällig.
Der 2014 angeschaffte Kühlschrank mußte wegen ausgebrochener Türen ersetzt werden. Leider sind europäische Marken nicht zu vernünftigen Preisen zu bekommen. Chinesische Produkte sind günstig, qualitativ jedoch nicht vergleichbar.
Die Oberflächen der Tankplattform und in der Toreinfahrt mußten ausgebessert werden. Aufgrund Sonne und heftigem Regen brechen immer wieder ganze Stücke aus. Bezüglich Tankplattform ist es sicherheitsrelevant. Die Toreinfahrt muß
nach den neuen Richtlinien der Social Welfare behindertengerecht sein.
Der Trinkwassertank wurde gereinigt, diesmal ohne Abbau vom Turm, wie letztes Jahr.
Die Mülltrennung im Projekt wird noch nicht konsequent umgesetzt. Nach wie vor wird Plastik mit verbrannt. Verbesserungsmaßnahmen wurden festgelegt.
Der aktuelle Stand aller Einzelfördermaßnahmen für NABI-Waisenkinder wurde überprüft. Zwei Jungs studieren an der „All Nations University Koforidua“, Zweig Bachelor of Business Administration, im 2. Semester. Die zuständigen Verantwortlichen dort haben eine sehr positive Entwicklung bestätigt. Drei Mädchen befinden sich derzeit an Senior High Schools in der Eastern Region. Zwei werden Ende des Schuljahres 2019/2020 nach drei Jahren Schulzeit die Abschlussprüfung machen. Von den jeweiligen Schulleitungen gab es keine Kritik am Verhalten oder den Leistungen. Die fünf Jugendlichen lebten von Anfang an im Waisenhaus. Alle gehen ihren Weg. Wir sind sehr stolz auf sie.
Die im August 2018 renovierten und neu möblierten Zimmer für die Freiwilligen sind in gutem Zustand. Derzeit befinden sich vier Jugendliche, zwei Mädchen und ein Junge aus Deutschland und ein Mädchen aus Japan, im Projekt. Alle fühlen sich wohl und sind begeistert von dem sehr engen Kontakt mit den Kindern. Eine Besonderheit bei NABI im Vergleich zu Freiwilligendiensten an Schulen. 2019 arbeiteten über das Jahr verteilt insgesamt 14 Freiwillige aus Deutschland, Frankreich, Schweiz und Japan bei NABI.
Zum Thema „berufliche Ausbildungschancen der NABI-Jugendlichen nach Schulabschluss“ haben wir in Accra weitere Gespräche mit der GIZ (Gesellschaft für Internat. Zusammenarbeit), der Deutschen Botschaft und der Außenhandelskammer (AHK) geführt. Es gibt vielversprechende Ansätze, allerdings auch noch viele offene Punkte. An alle Stellen müssen noch Projektunterlagen eingereicht werden. Gespräche mit Handwerkern in Begoro brachten noch keine konkreten Ergebnisse. Dies wäre dann jedoch eine Ausbildungform „Learning by Doing“, so wie es die Handwerker selbst gelernt haben.
Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die wir von vielen Seiten bekommen. Ohne die Patenschaften, die jährlichen Geld- und Sachspenden und die Aktivitäten zur weiteren Entwicklung unseres gemeinnützigen Vereines wäre der Fortbestand des Waisenhauses und der Schule nicht möglich. Alex Dankwa, sein Team und die Kinder haben uns gebeten, diesen Dank weiterzugeben: Thank you and God bless you all !!
Wir wünschen allen, die an die Kinder denken und NABI helfen, ein frohes Weihnachtsfest und für das neue Jahr alles Gute.
Meda w’ase !!