Zwei Wochen nach Ende der Trimesterferien sind wir jetzt wieder im normalen Rhythmus. Lehrer und Kinder sind wieder alle an Board. Ferienende in Ghana heißt nicht gleichzeitig wieder Schulbeginn. Es dauert länger, bis sich alle wieder eingefunden haben. Hier sieht man überdeutlich, dass das nach mehreren Reformen entstandene Schulsystem blanke Theorie ist.

 Der Tag beginnt um 06:00 Uhr. Frühstück dann 07:30 Uhr mit unseren Waisen und Boarders. Unterrichtsbeginn nach der Morgen-Assembly ca. 08:30 Uhr. Mittagessen mit den Kindern 12:30 – 13:15 Uhr. Danach wieder Unterricht bis 15:30 Uhr. Abendessen 17:30 Uhr und Preptime für den nächsten Schultag von 19:00 bis 20:30 Uhr. Dazwischen alle anderen Aktivitäten wie Duty und Projekte.
An das tägliche Wasserholen am Brunnen habe ich mich auch schon wieder gewöhnt. Es wird mir zuhause fehlen, besonders der Small Talk mit den Einheimischen. Die Gelegenheit ist immer günstig, meine zwischenzeitlich vorhandenen Twi-Kenntnisse ( Eastern Region Akan Dialekt ) zu verbessern. Vielleicht kaufe ich mir in Markdorf zwei Plastikeimer und gehe jeden Tag zum Latschebrunnen, wo zwar kein Twi gesprochen wird, aber die Gewohnheit beibehalten werden kann.
Für uns sind jetzt die letzten sechs Wochen angebrochen. Es ist schon ein komisches Gefuehl, wenn man weiß, dass es nun bald wieder nach Hause geht. Wir haben uns an das Leben im Waisenhaus bzw. in einem abgelegenen, ghanaischen Provinzstädtchen, wo die Uhren wirklich noch anders gehen, gewöhnt. Wir sind schon bekannt in Begoro und wenn wir durch die Straßen gehen, um irgendwetwas zu besorgen, kommen die Kinder gelaufen und rufen uns mit Namen. Die Erwachsenen winken und grüßen und geben uns Tipps, wenn wir nicht wissen, wo wir etwas Bestimmtes bekommen können.
Es wird in den letzten Tagen unseres Aufenthaltes eine lange Abschiedstour werden.

Der Glaube an eine höhere Macht ist in der ghanaischen Kultur tief verwurzelt. Die Ghanaer drücken allerdings ihre Religioesität anders aus als wir Europaer. Man sieht es tagtäglich an den vielen bunten Aufschriften an Fahrzeugen oder Shops wie “ God is great“ oder „Lord is with you“.
Von der in Ghana herrschenden Religionsfreiheit wird tüchtig Gebrauch gemacht. Es gibt so gut wie keine Glaubensrichtung in der Welt, die nicht vertreten ist. Man erkennt es daran, dass es im Lande
von Kirchen nur so wimmelt. Die Vielfalt erklärt sich daraus, dass während der Kolonialzeit viele verschiedene Kirchen an der Missionierung der Bevölkerung beteiligt waren. So kamen beispielsweise mit den Portugiesen die katholischen und den Briten die protestantischen Heilsbringer.
Aktuell bekennt sich rund 40 Prozent der Bevölkerung zum christlichen Glauben, davon sind je die Hälfte Katholiken und Protestanten. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung sind Moslems, überwiegend in den nördlichen Regionen. Das Straßenbild in Tamale war ein deutlicher Beweis dafür. Weitere 10 Prozent sind Buddisten, Hindus……
Ein grosser Prozentsatz der Ghanaer, ca. 35 Prozent, hat seinen afrikanischen Glauben behalten. Basis dessen ist die Philosophie, dass Gott zuerst sich selbst erschaffen hat, dann das Universum, die Welt der Toten und der Lebenden. Darunter gibt es mehrere Richtungen und Sekten mit teilweise extrem ausgeprägten Ahnenkult. Besonders bei Beerdigungen, ein Vokssport in Ghana, sieht man Altäre, an denen gebetet wird. Aufgrund der weitläufigen Verwandtschaftsverhältnisse hat jeder Erwachsene immer wieder Gelegenheit, einer Beerdigungsfeier beizuwohnen oder muss selbst eine organisieren. In der Regel finden sie samstags statt und Menschen in Trauerkleidung (je nach Verwandtschaftsgrad tiefrot, ocker oder schwarz ) gehören zum Straßenbild. In Begoro haben wir selbst schon an Trauerfeiern teilgenommen. Oft finden so viele statt, dass die Straßen komplett blockiert sind und es kein Durchkommen mehr gibt. Nach der Trauerfeier wird zu lauter Musik getanzt und dem Essen und Trinken zugesprochen. Die Größe der Beerdigungen sind für die Banken ein gutes Geschäft. Es ist für die Betroffenen eine teure Veranstaltung und in der Regel müssen Kredite zur Finanzierung aufgenommen werden. Oft liegen deshalb auch Monate zwischen Todestag und Beerdigung, bis die Abwicklung geklärt ist.

Etwas Besonderes ist immer der sonntägliche Kirchgang mit den Kindern in unserer Jesus Christ Mission Church. Sie gehen schon deshalb recht gerne, weil sie dann ihre schönsten Sachen anziehen dürfen, wenngleich auch manchmal etwas zerrissen aber immer sauber. Während des Gottesdienstes, spielt nicht der Pastor die Hauptrolle, sondern die Gemeindemitglieder. Wer möchte, tritt vor und betet oder singt, begleitet von einer kleinen Band. Oft wird auch getanzt und die Frauen und Männer singen sich regelrecht in Ekstase. Am letzten Sonntag konnte eine Frau, sogar mit einem Kind auf dem Rücken, fast nicht mehr beruhigt werden. Die Leute glauben dann, dass Gott nun im Körper dieser Person steckt.
Fast jedesmal müssen wir auch aufstehen und vor die Gemeinde treten. Alle beten dann für uns und bedanken sich für unsere Unterstützung des Waisenhauses. In der Gemeinde haben wir mittlerweile einen hohen Stellenwert mit zugewiesenen VIP-Platz in der Kirche.

 Die Regierung Ghana hat einen wichtigen Beschluss, die Privatschulen betreffend, gefasst. Der
Ghana Education Service ( Organ des Bildungsministeriums ) will ein „Monitoring of Private Schools“ ein-
führen. Hintergrund ist, dass eine große Anzahl von Privatschulen in den letzten Monaten kollabiert ist und die Verwaltungen dann den Aufwand haben, die Schüler anderweitig unterzubringen. Es müssen ab jetzt eine ganze Reihe von Kriterien erfüllt werden, um die Ausbildungsqualität und -kontinuität sicherzustellen. Ein Beispiel ist die Dokumentatition der An- und Abwesenheit von Lehrern und Schülern. Ist auch bei uns an der Schule ein großes Problem. Im Grunde heisst das nichts anderes, als das die Privatschulen gezwungen werden, ein QM einzuführen, natürlich nach lokalen Standards. Ich habe unseren Direktor schon einmal vorgewarnt und ihm gesagt, was da auf ihn zukommt. Die letzten Wochen werde ich noch Nutzen, um Ihm beim QM-Aufbau zu helfen. Das Thema ist mir ja nicht allzu fremd.

 Die Sanierung der Dächer der beiden Gebäude läuft schleppend. Die beauftragte Firma
lässt uns hängen. Die Regenzeit nimmt leider keine Rücksicht darauf. Wir haben ständig Wasser in den oberen Räumen.
Bevor wir abreisen, werde ich auch auf jeden Fall noch einen Blogeintrag zum Stand aller Projekte machen.

 Am Freitag, 25.5. waren wir mit 10 der größeren Jungs in Begoro beim Public Viewing des CL-
Endspiels. Jeder bekam Eintritt und zwei Getränke, allerdings unter der Bedingung, dass Bayern München angefeuert wird. Die meisten waren aber ohnehin Bayern Fans wegen J. Boateng. Alle waren begeistert und die Stimmung im Schuppen mit insgesamt ca. 200 Fans war großartig. Die Jungs hatten das vorher noch nie erlebt. Gottseidank konnte der übliche Stromausfall mit einem Generator überbrückt werden. Es ist erstaunlich, mit welcher Begeisterung der europäische Fußball in Ghana verfolgt wird und wie gut die Fans auch die Spieler der Vereine kennen. Interessant waren auch die richtig hitzigen Diskussionen unter den Ghanaern bei einzelnen Szenen, leider nicht in Englisch.

 Am Samstag den 26.5. haben wir im Waisenhaus wieder ein grosses Eierfrühstueck, oder wie
die Kinder sagen, „egg-big and bread-big“, gespendet. Nachdem wir es es ein paar Tage vorher angekündigt hatten, war die Vorfreude schon groß und morgens sind gleich fünf Kinder mit mir zum Brotholen gegangen. Es wird bei einer Familie in der Nähe im freistehenden Lehmofen täglich frisch gebacken. Die Zubereitung der Omelettes ist immer aufwändig, weil ca. 100 Eier am offenen Feuer in einer mittelgroßen Pfanne gebraten werden müssen. Aber es lohnt sich. Alle sind richtig satt geworden und waren glücklich.
Mit den größeren Kindern haben wir dann am Nachmittag wieder einmal einen Ausflug zum
nahegelegenen Trudu- Wasserfall unternommen, vom Orphanage ca. 45 Minuten Fußweg. Keine spektakuläre Sache, das Wasser stürzt etwa 18 m von einem Felsvorsprung in eine Lagune. Den Kindern gefällt aber einfach das Herumplanschen. Der Abstieg in die Lagune ist leider steil und deshalb für die Kleinen zu gefährlich. Für sie müssen wir uns noch etwas einfallen lassen. Sie sind immer traurig, weil sie im Waisenhaus zurückbleiben müssen.

Bild: Assembly bei NABI vor Beginn des Schultages.